Tanja Erath hat Medizin studiert und fährt für Canyon-Sram, eines
der besten Radteams der Welt. Ihren Platz hat sie sich im Internet erkämpft.

2020, das Jahr hatte gut angefangen für Tanja Erath. Für die Dreißigjährige, der lange in Darmstadt lebte, begann ihre dritte Saison als Radprofi im Team Canyon-Sram mit vier aufregenden Rennwochen in Australien und drei Wochen Trainingslager in Spanien. Dann, von einem Tag auf den anderen, war Schluss. Das Corona-Virus schickte sie und ihre Teamkolleginnen aus aller Welt in den Lockdown. Alle Rennen wurden abgesagt oder weit nach hinten ver-schoben. Kaum einer glaubte, dass sie in diesem Jahr überhaupt noch stattfinden würden. 

    Tanja Erath, die ein abgeschlossenes Medizin-Studium hat, machte aus der Not, was sie vorher jahrelang ohnehin getan hatte. Sie trainierte daheim auf der Rolle. Fuhr auf der Trainingsplattform Zwift Programme und Rennen, um die Form zu halten. Obwohl das Wetter anfangs zu Ausfahrten in den Odenwald einlud, blieb sie während des Lockdowns zuhause. „Meine Teamkolleginnen aus Italien und Spanien dürfen auch nicht mehr raus“, sagte sie. „Ich bin mit ihnen solidarisch.“ Erath, früher im Triathlon unterwegs, dann wegen einer Verletzung ganz aufs Rennrad umgestiegen, hat sich ihren Platz bei Canyon-Sram, einem der weltbesten Profiteams, parallel zum Medizin-Studium auf der Rolle erkämpft. Über die sogenannte Zwift-Academy wird Jahr für Jahr je ein Profiplatz für Frauen und Männer vergeben. Die leistungsstärksten Zwift-Fahrer und Fahrerinnen werden am Saisonende zum Trainingslager eines Profi-Teams eingeladen. Dort müssen sie beweisen, dass sie nicht nur unter Laborbedingungen, sondern auch auf der Straße mit den Besten mithalten können. Tanja Erath schaffte den Sprung aus dem Wohnzimmer in die World-Tour, die Champions League des Radsports. 

  Als der Lockdown die Zeit zu-rückdrehte und Tanja Erath wie-der auf der Rolle fuhr, organi-sierte der Bund Deutscher Radfahrer auf Zwift eine virtuelle Rad-Bundesliga, darunter ein Rennen auf dem animierten  „Innsbruckring“, einem Teil der Straßen-Weltmeisterschaft von 2018. Den Sieg holte sich Tanja Erath aus einer zwölfköpfigen Gruppe heraus im Sprint, ihrer Spezialdisziplin. 

   Dann ging es doch wieder los mit den „richtigen“ Rennen, dann ging es doch wieder auf die Straße, und Tanja Erath war von Anfang an dabei. Es begann mit zwei Rennen in Spanien und einem Sieg in der Sprintwertung, dann ging es weiter nach Frankreich zu einem dritten Platz bei  den Perigord Ladies, es folgte ein Ausflug zur deutschen Meisterschaft auf dem Sachsenring und ein weiterer dritter Platz. Zurück in Frankreich sollte die Etappen-fahrt Tour Cycliste Féminin de l’Ardèche das nächste Highlight  werden. Doch schon auf dem ersten von sieben Teilstücken erwischte es Tanja Erath.

„Sturz auf dem letzten Kilometer. Fahrerin von TiBco hat mich in der Kurve abgeräumt und ich bin unter ein parkendes Auto gerutscht. Bis mein Gesicht genug gebremst hatte am Unterboden des Autos. Wahrscheinlich bin ich im Pedal hängen geblieben und deshalb hat das Rad das Knie verdreht. Tippe auf Innenband, aber genaueres wird das MRT zeigen. Nicht so toll, aber leider passiert.“

Es war ein Sturz bei hohem Tempo während der Vorbereitung zum Sprint. Verletzungen im Gesicht, ein verdrehtes Knie. Kreuzband gerissen, Innenband gerissen. Lange Reha. Wieder zurück auf die Rolle. Wieder mit Erfolg: Platz 20 bei der E-Weltmeisterschaft auf Zwift im November 2020.