Michael Killer im Jahr 2007 mit Rolls Royce und einer Harley Luzifer

Die zwei Leben des Prinzen

Michael Killer führte ein Leben wie ein König. Dann erlitt er einen Schlaganfall, lag im Koma, war gelähmt, wollte sterben. Er erkämpfte sich ein neues Leben. Heute sagt er: Ich bin glücklich.

Von MICHAEL EDER

Das erste Leben des Michael Killer, der jetzt Prinz Maximilian Michael von Anhalt heißt, endet am 20. März 2014 auf einer Autobahn in der Pfalz. Er ist mit seiner Mutter unterwegs, um sich in Saarbrücken einen Supersportwagen zu kaufen, einen Porsche, ein neues Stück für seine Sammlung. Der smarte Fitness-Unternehmer aus Groß-Zimmern, der in Darmstadt und Umgebung 16 Studios betreibt, teils allein, teils mit einem Partner, telefoniert über die Freisprechanlage, und seine Mutter schaut ihn verwirrt an. Warum er so undeutlich spreche, fragt sie. Er solle normal reden. Killer reagiert gereizt. Was sie wolle, hört er sich sagen, er rede ganz normal. Aber da ist seine Sprache nur noch ein Lallen. Der Wagen steift die Leitplanke, kommt irgendwie zum Stehen ohne schweren Unfall. Es ist klar: Etwas stimmt nicht. Ein Herzinfarkt? Die Mutter ruft einen Krankenwagen. Mit dem Hubschrauber fliegen sie ihren Sohn ins Krankenhaus, erst nach Ludwigshafen, dann nach Heidelberg. Diagnose: Schlaganfall. In der Klinik bohren sie dem Patienten den Kopf auf, versetzen ihn ins Koma. Michael Killer ist damals 51 Jahre alt, und das ist das Ende seines ersten Lebens. Eines Lebens voller Luxus, Spaß, Frauen, Partys.

Vier Jahre später, 2017, treffen wir ihn im Da Nino in Darmstadt, einem seiner Lieblingsitaliener, Michael Killer ist dort ein umsorgter Gast. Er wird behandelt wie ein Prinz, wie ein König. Sein Freund Erko Kalac stützt ihn, führt ihn an der Hand die Stufe hinauf zum Tisch an der Ecke. Killers ganze linke Körperseite war gelähmt nach dem Schlaganfall, der Professor in der Heidelberger Uniklinik hat ihm keine Chance gegeben damals, keine Chance, sie jemals wieder bewegen, sie fühlen zu können. Doch Killer hat ihm nicht geglaubt. Die Lähmung ist jetzt immer noch massiv, er kann den Arm nicht bewegen, aber mit Hilfe kann er ein paar Schritte gehen, er schafft es, sich auf den Beifahrersitz eines Autos zu kämpfen. Der linke Arm ist taub, aber auch hier spüre er „beginnende Reaktionen“, sagt er. Die Scampi im Da Nino hat ihm der Chef klein geschnitten, die Gabel hält Killer mit der rechten Hand. Er trinkt Apfelschorle. 

Es war 2006, als aus dem Fitnessstudio-Besitzer Michael Killer der stolze Prinz Maximilian Michael von Anhalt wurde, er hatte sich von Frédéric Prinz von Anhalt adoptieren lassen, dem windigen Ehemann der Schauspielerin Zsa Zsa Gabor. Zur Feier des gekauften Namens hatte sich Michael Killer die original anhaltinische Uniform nachschneidern lassen, die passte gut zu seinem Fuhrpark. In seinen Garagen standen Luxusautos Schlange. Was darf’s sein? Rolls Royce Phantom? Maybach, Ferrari? Porsche? Lamborghini? Oder einen Maserati C12, von dem es in Deutschland ganze acht Exemplare gibt, Kostenpunkt rund 670 000 Euro? Oder eine Schönheit auf zwei Rädern, eine Harley Davidson Luzifer? Alles da.

Im Da Nino zeigt Killer ein Foto auf seinem Handy, ein Selfie, das er am Tag vor dem Schlaganfall aufgenommen hat. Durchtrainierter Körper, eindrucksvoller Sixpack. Ein Fitness-Prinz, kein Muskelprotz. Killer ist nicht mit dem Aufpumpen von Muskelmännern reich geworden. Body-Builder wa-ren nie seine erste Zielgruppe. Für die großen, breiten Jungs hatte Killer von Anfang an ein Spezial-Studio in Darmstadt eröffnet, eines, das billiger war als die anderen, dort trafen sich die Muskelmänner. In seinen anderen Studios geht es weniger um Kraft- als um Breitensport, es geht um Gewichtsreduzierung, Ernährungsberatung, Rückenschule; das Kursangebot bietet das komplette Programm von Yoga bis Tae Bo, von Nordic Walking bis Inlineskaten. Es gibt Karate und Judo für Kinder, es gibt Tanzkurse, in Groß-Zimmern gibt es, oben auf dem Dach, ein Schwimmbad und eine Saunalandschaft. Es gibt Kickboxen für ältere Herrschaften, Selbstverteidigungskurse für Frauen, auch behinderte Kinder finden passende Angebote.

Manch einer hielt Michael Killer für größenwahnsinnig. Doch er war nicht größenwahnsinnig, er war ein Lebemann, ein Partylöwe. Ein Eulenspiegel. Er spielte mit den Konventionen. „Wenn du wohin kommst als Prinz von Anhalt“, sagt er, „dann macht das einen schlanken Fuß.“

Soll heißen: Die Prinzenrolle hatte Spaß gemacht. „Für mich ist der Titel immer eine Marketing-strategie im Interesse unseres Hauses gewesen. So funktioniert PR.“ Zu besonderen Anlässen lief Killer in der Prinzenuniform herum, das muss man erst mal hinbekommen. „Ich habe ein Leben geführt wie ein König“, sagt er im Da Nino. Wie ein Prinz. Der Name, den er sich seinerzeit in Amerika überschreiben ließ, ist ein Name, kein Titel.  Er ist gekauft. Na und? Für Killer war er ein Spielzeug, genau wie sein Rolls-Royce. Hat er sich den Adelstitel aus Neid gekauft? Auf die, die im Rolls sitzen, und keiner guckt schief? Neid? Hat ihn nie interessiert. Nicht damals vor dreißig Jahren, als er nichts hatte, nicht später, als er ein reicher Mann war. Neid blockiere, sagt er, zerstöre positive Energie. „Neid verhindert Erfolg. Die Erfolgreichen darf man nicht beneiden, man muss sie sich zum Vorbild nehmen.“

Im Da Nino erzählt Erko Kalac vom ersten Besuch im Krankenhaus nach Killers Schlaganfall. Keiner, sagt er, habe sich damals vorstellen können, dass der Patient noch einmal aus dem Bett herauskommen würde. Seine linke Körperhälfte war gelähmt. Doch Killer kämpfte. Hatte der Sport nicht täglich den Beweis geliefert, was mit Arbeit und Energie zu erreichen ist? Er ließ sich verlegen, weg von diesem Heidelberger Professor, der ihm keine Chance gab. „Er sah in mir für den Rest meines Lebens einen sabbernden Pflegefall.“ Er ging nach Bad Camberg in die Reha – nach vier Wochen konnte er aufstehen und ein paar Schritte gehen. „Ich bin im Rollstuhl hingekommen, und acht Wochen später auf meinen Beinen rausgegangen. Das war für mich riesengroß.“ 

Man wird demütig nach einem solchen Schicksalsschlag. Man lernt, Dinge zu schätzen, die zuvor keinen Gedanken wert waren. Wenn das Bein gelähmt ist, und dann bewegt sich plötzlich ein Zeh! Das ist der Wahnsinn, sagt Killer. Ein Erlebnis, wie es intensiver nicht sein könnte. Oder als er in der Reha zum ersten Mal das linke Knie ein Stück weit beugen konnte. Er hat es die ganze folgende Nacht bewegt, damit das neu Erreichte nur nicht wieder verloren ginge. 

Wie waren die ersten Wochen damals? „Der erste Schock war groß. Ich hatte vorher gedacht, ich bin unzerstörbar, aber das bin ich nicht, das sind wir alle nicht.“ Und es war nicht nur der Schlaganfall, die Lähmung, es war auch der Verlust einer Frau. Seine damalige Freundin verließ ihn nach vier Wochen. „Das hat mich genauso hart getroffen wie der Schlaganfall“, sagt Killer. „Ich kann das verstehen, kann verstehen, dass man es mit der Angst zu tun bekommt in einer solchen Situation, aber es hat mich trotzdem sehr getroffen. Ich hatte das Gefühl, nicht mehr leben zu wollen.“ Den Schlaganfall zu akzeptieren und die Folgen, das habe drei, vier Monate gedauert. „Dann wusste ich: Ich muss das Beste draus machen, und bin stark genug, um damit zurecht zu kommen. Natürlich wird es nie wieder, wie es war, aber das stört mich nicht. Es ist, wie es ist, ich denke nicht über Konjunktive nach.“ 

Ist er wirklich zufrieden? „Mein erstes Leben war schön, aber das zweite ist auch schön. Ich habe anfangs nicht geglaubt, dass ich das noch einmal sagen würde, aber ja: Ich bin ein zufriedener Mensch. Die Ruhe, die ich gefunden habe, hätte ich ohne den Schlaganfall nie gefunden, in meinem ersten Leben hätte ich Ruhe niemals zugelassen.“

Ende September 2020, Treffpunkt Groß-Zimmern. Gleich gegenüber seines ersten Fitnesszentrums, seines Stammhauses bis heute, wohnt Michael Killer in der kompletten obersten Etage eines etwas in die Jahre gekommenen Hochhauses. In Königstein im Taunus lässt er gerade eine Villa umbauen, der Umzug ist geplant. Seine Sportwagen und die Harley hat er verkauft. Die beiden Rolls Royce und den Maybach, seine Chauffeurslimousinen, hat er behalten. Selber Autofahren kann er nicht mehr, der linke Arm ist taub geblieben, deshalb beschäftigt er neben einer 24-Stunden-Pflege- und Haushaltskraft auch eine junge Frau, die ihn chauffiert, an sieben Tagen die Woche zur Reha nach Idstein, oder zum Essen in den Ivory Club nach Frankfurt, seinem Stammrestaurant seit langem, oder auch nach Monaco, eine Reise, die er für Anfang November plante, die wegen Corona aber ausfallen musste. In seinem Penthouse hat Killer Trainingsgeräte stehen. Sein Heimprogramm: Täglich sechs Runden à 30 Meter Gangtraining, 60 Situps an der Bauchmaschine, eine Stunde Radfahren auf dem Ergometer. 

Vom Schreibtisch aus arbeitet er für seine Studios. Körperlich ist er stark eingeschränkt. „Aber der Schädel funktioniert. Das ist das Wichtigste.“

Immer noch ein bunter Hund:
Michael Killer im September 2020